Am 27.01. fand in der Synagoge in Celle eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz und zur Erinnerung an alle Opfer des Holocaust statt. Über 6.000.000 Jüdinnen und Juden wurden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet. Hinzu kommen zahllose weitere Opfer der Verfolgung, die aufgrund ihrer Sexualität, Religion, politischen Einstellung oder Behinderung getötet wurden.
Drei Schülerinnen und Schüler des Hölty-Gymnasiums gestalteten zusammen mit der Jüdischen Gemeinde diese Veranstaltung. Sunny Hamel und Elisabeth Bickmeyer (beide 11c) sowie Denis Buss (Jahrgang 13) lasen Gedichte des Holocaust Überlebenden Yacoov Barzilai vor, die die Jüdische Gemeinde aus dem Hebräischen übersetzt hatte.
Yacoov Barzilai, ein aus Ungarn stammender Jude, wurde 1933 geboren. Er und seine Familie wurden auf Umwegen über Österreich in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. In den letzten Kriegstagen sollte Barzilai mit anderen Gefangenen hingerichtet werden, wurde dann jedoch durch die Alliierten befreit. Yacoov Barzilai wanderte schließlich nach Israel aus, wo er zahlreiche Bücher geschrieben hat, um das Erfahrene zu verarbeiten und zu dokumentieren. Seine Gedichte sind dort sehr bekannt und zählen zum Schulstoff. Die Texte berichten vom Grauen der Shoah und den verschiedenen Formen von Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung. Sie reflektieren außerdem den persönlichen Verlust des Gottesglaubens. Bei all diesem erlittenen Leid und dem Verlust vieler Angehöriger war es Barzilai unmöglich, an Gott festzuhalten. Eindrücklich kommt dies in dem kurzen Gedicht ‚Teufelswerk‘ zum Ausdruck:
Teufelswerk
„Mir ist es langweilig im Himmel”, sagte Gott.
Im Jahre 1943
Und gab den Engeln ein Zeichen.
Und die ließen hinunter Jakobs Leiter.
Und Gott stieg hinab, auf die Erdkugel, die er schuf.
Verkleidet als Jude
Mit Schläfenlocken und Bart ging er zwischen den Leuten
Auf dem Umschlagplatz von Warschau
Er trug einen gelben Stern, um sich kenntlich zu machen
Als er eingepfercht wurde in den Viehwaggon
Versuchte er zu entkommen
„Ich bin Gott!”, schrie er
Seitdem ist er spurlos verschwunden …
Seine Gedichte sind zudem geprägt von einer tiefen Melancholie, einem scharfen Zynismus und zuweilen auch Wut angesichts des Unbegreifbaren. Dies angemessen vorzutragen, stellte keine leichte Aufgabe dar, der sich unsere Schülerinnen und Schüler aber voller Engagement gestellt haben. Begleitet wurden die Gedichtvorträge von Musik auf der Geige. Abschließend verlasen die Schülerinnen und Schüler die Namen der im Holocaust ermordeten Celler Jüdinnen und Juden.
Gerade heute sind das Erinnern und Gedenken, denen der mahnende Imperativ des „Nie wieder!“ innewohnt, besonders wichtig. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns aktiv und laut gegen jede Form der Diskriminierung und insbesondere gegen Antisemitismus zu wehren und für eine offene und freie Gesellschaft, für Mitgefühl, Toleranz und Humanismus einzutreten.
Text: Dr. Johannes Thiele
Foto: https://www.celle.de/Kultur/Museen-Sammlungen/Synagoge