Der diesjährige Abiturjahrgang des Hölty-Gymnasiums war in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer: Die 70 Abiturientinnen und Abiturienten hatten nicht nur mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen, weswegen die Zeugnisvergabe auch in zwei Veranstaltungen aufgeteilt wurde. Es war auch der erste Jahrgang, der wieder nach 13 Schuljahren die allgemeine Hochschulreife erlangte. Und dazu war es noch ein „Rekord“-Jahrgang in der Amtszeit von Schulleiterin Frau Nerreter: 14-mal stand bei den Zeugnissen eine Eins vor dem Komma. Als Jahrgangsbeste wurden Mia Steinbach (Notenschnitt von 1,2), Jannik Ganswindt (1,3) und Fenna Kruse (1,4) geehrt. Passend dazu marschierte der Abschlussjahrgang zu Queens „We are the Champions“ in den Festsaal zur Zeugnisvergabe.
Ohne Unterstützung hätten sie das wahrscheinlich nicht geschafft, daher dankte Frau Nerreter in ihrer Rede den Eltern dafür, dass sie die Schullaufbahn bei Höhen und Tiefen begleitet haben. Auch dem Kollegium galt ihr Dank, allen voran den Tutorinnen und Tutoren Herrn Dr. Hagen, Frau Gefeke, Frau Klein, Herrn Ehrlicher, Herrn Zink und Herrn Häpe.
15.000 Unterrichtsstunden haben die Abiturientinnen und Abiturienten nun hinter sich, rechnete Frau Nerreter vor, und dabei ein gutes Dutzend Kompetenzen wie Sach-, Medien- und Methodenkompetenz geschult. „Das Fundament ist gelegt. Was Sie jetzt darauf bauen, liegt in Ihrer Verantwortung“, gab sie ihnen mit auf den Weg. Besonders wichtig war Frau Nerreter, dass das Hölty den Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit zur demokratischen Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen vermittelt hat. „Der Jahrgang ist zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen, der sich auch von Corona nicht einschüchtern ließ“, fuhr Frau Nerreter fort. Auf Studien- und Abi-Fahrt sowie den Abi-Streich mussten sie jedoch verzichten. Dafür waren sie von Januar bis Ostern allein im Schulgebäude – was anfangs schon etwas gespenstisch anmutete. Den Leistungen hat das alles keinen Abbruch getan. Dass das Lernen mit dem Abiturzeugnis jedoch nicht endet, sondern lebenslang anhalten sollte, verdeutlichte Frau Nerreter mit einem Zitat aus Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“: „Wer nicht liest, wird mit 70 Jahren nur ein einziges Leben gelebt haben: Sein eigenes. Wer liest, wird 5000 Jahre gelebt haben.“
In der Rede der Lehrkräfte spielten sich Herr Hidasi und Herr Glück humorvoll die Bälle zu und ließen die vergangenen neun sehr erfolgreichen Jahre Revue passieren – nur um dann scherzhaft dem FC Bayern München zu neun Meisterschaften in Folge zu gratulieren. Mit den Worten des ehemaligen Bundestrainers forderten sie auch in Zukunft „Höggschde Disziplin“, wenn der Trainingsplatz „Hölty“ verlassen wird und der Spielbetrieb beginnt. „Lernt, eure Fähigkeiten richtig einzuschätzen, stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, und wachst über euch hinaus“, fuhren sie fort. Auch wenn man mit 1:3 gegen den Weltmeister zurückliege, könne man das Spiel mit der richtigen Einstellung noch drehen. Den Zusammenhalt des Jahrgangs unterstrichen sie zum Abschluss mit dem Einspielen des Fußballklassikers „You’ll Never Walk Alone“.
In der zweiten Lehrerrede wollten Frau Arnold und Herr Dr. Thiele den Absolventen noch ein paar letzte Ratschläge mit auf den Weg geben – was sich als gar nicht so einfach erwies: „Bei der Aktion ,Multikulti ist himmlisch‘ habt ihr euch mutig positioniert und bewiesen, dass euer moralischer Kompass funktioniert“, lobte Herr Dr. Thiele. Auch bei den Themen Vielfalt, Pluralismus und LGBTQ haben vor allem die jungen Menschen in den vergangenen Jahren für Fortschritte gesorgt. Daher lautete ihr erster Rat: „Weiter so!“ Frau Arnold fügte hinzu: „Feiert! Ihr müsst nie mehr zur ersten Stunde aufstehen, Hausaufgaben machen oder nachsitzen. Und seid mutig, findet euren eigenen Weg, probiert aus, seid offen!“ Und wer sich fragt, warum man Stochastik oder Gedichtanalysen lernen musste, sollte wissen: „Alle Schulthemen sowie Lehrerinnen und Lehrer haben Spuren hinterlassen – dadurch hat das Hölty euch mit geformt, obwohl dieser Einfluss nicht bewusst wahrgenommen wird.“
Fenna Kruse, Julia Weidlich, Stefan Kribbe und Hauke Lüken sprachen die Abschiedsworte im Namen des Abiturjahrgangs. Sie bedankten sich beim Lehrerkollegium unter anderem dafür, „dass das Hölty die Corona-Zeit so angenehm wie möglich gemacht hat.“ 2012 wurde der Abschlussjahrgang hier eingeschult – der erste nach der Wiedereinführung von G9, wobei sie sehr dankbar für das zusätzliche Jahr waren. Die tiefe Zäsur kam dann am Freitag, den 13. März 2020. „Die Corona-Pandemie hat uns so einiges geklaut: Freunde treffen, feiern, soziale Veranstaltungen bis hin zum Abi-Streich.“ Dabei haben sie realisiert, dass Präsenzunterricht ein geschätztes Privileg ist. Die Abiturientinnen und Abiturienten haben im Laufe ihrer Schulkarriere nicht nur gelernt, in sechs Sprachen um einen Toilettengang zu bitten. Sie haben auch Empathie gelernt und erfahren sowie soziale Kompetenzen geschult und standen für ihre eigene Meinung ein. Und natürlich wurden sie gut auf das Abitur vorbereitet. So verabschiedeten sie sich mit den Worten: „Danke für die unvergessliche und schöne Zeit.“
Musikalische Untermalung, die am Hölty natürlich nicht fehlen darf, gab es vom Saxophonquartett aus Darija Haase, Mareike Becker, Noemie do Espirito Santo und Emmy Heese unter der Leitung von Musiklehrer Joschua Claassen sowie von Abiturientin Linda Thyssen an der Klarinette und Sophia Awerbuch am Klavier.
Die Zeugnisübergabe verlief wie immer sehr persönlich: Zu selbst ausgewählter Musik wurde den Schülerinnen und Schülern einzeln das Zeugnis überreicht, während ein Kinderfoto und ein aktuelles Bild auf die Leinwand projiziert wurden. Dabei sprach Frau Nerreter Glückwünsche aus, erinnerte mit mancher Anekdote an die nun vergangene Schulzeit oder ehrte viele Abiturientinnen und Abiturienten für ihr Engagement bei Jugend forscht, in der Theater-AG, im Schulsanitätsdienst oder in den musikalischen Gruppierungen des Hölty.
Zum Abschied sagte Herr Dr. Thiele in seiner Rede bewusst nicht „Lebewohl“, sondern „Auf Wiedersehen“. Denn das Kollegium würde sich freuen, mal wieder von den nun ehemaligen Höltyanerinnen und Höltyanern zu hören.
Jan-Henrik Flecke