„Wir werden hier nicht die Regierung stürzen.“ Das waren die einleitenden Worte Heiner Scholings, Landtagsabgeordneter der Grünen, im Gespräch am 6.11.13 mit den Kolleginnen und Kollegen des Hölty-Gymnasiums Celle über die Pläne der Landesregierung, die Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrkräfte von 23,5 auf 24,5 Stunden zu erhöhen sowie die versprochene Altersermäßigung auszusetzen. Der Personalrat des Hölty hatte Herrn Scholing sowie tags zuvor den SPD-Abgeordneten Maximilian Schmidt, Mitglied im Haushaltsausschuss, eingeladen, um ihnen deutlich zu machen, was diese Pläne für Lehrer- wie Schülerschaft bedeuten werden, nämlich eine Verschlechterung der Qualität im Unterricht und Schulleben. Beide Politiker beteuerten zwar ihr Verständnis für unseren Unmut, machten wie durch die Eingangsbemerkung jedoch auch deutlich, dass die Verabschiedung des Haushalts in der derzeit geplanten Form – allein schon angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Landtag – nahezu sicher ist. Herr Scholing war sogar so ehrlich zuzugeben, dass diese Maßnahmen einen Wortbruch der Landesregierung darstellen, hatte doch die rot-grüne Regierung 1998 die Lehrerschaft 10 Jahre lang zu unbezahlter Mehrarbeit verpflichtet unter der Maßgabe, dass ihnen diese auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde, sowie die schwarz-gelbe Regierung noch im Jahr 2008 versichert, dass es während der Rückzahlungsphase keine Stundenerhöhung geben werde. Herr Schmidt antwortete auf die Frage nach der Verbindlichkeit solcher Zusagen, sie seien nicht Gesetz. Beide Abgeordneten versuchten die Haushaltspläne zu rechtfertigen, indem sie auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse hinwiesen und auf die notwendigen Investitionen im Bildungsbereich z.B. durch den Ausbau der Ganztagsschulen und die Einführung der Inklusion. Warum ausschließlich bei den Gymnasiallehrkräften eingespart werden soll, wurde damit begründet, dass eine Angleichung mit der Stundenzahl der Gesamtschullehrkräfte hergestellt werden soll, und dem Hinweis des Bundesrechnungshofes, dass die Stundenzahl der Gymnasiallehrkräfte in Niedersachsen unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Herr Scholing, der als ehemaliger Leiter einer Förderschule in Lüneburg mit der Materie vertraut ist, musste allerdings einräumen, dass hierbei zum Teil „Äpfel mit Birnen verglichen würden“, sprich dass diese Zahlen nur bedingte Aussagekraft haben, da in anderen Bundesländern gewährte Entlastungsstunden z.B. für Klassenleitungen oder Oberstufenkurse dabei nicht berücksichtigt würden. Tatsache ist, dass die Arbeitsbelastung der Gymnasiallehrer und -lehrerinnen in Niedersachsen in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist durch Reformen wie die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule und G8 sowie durch den Zulauf auf die Gymnasien. In Celle wählen inzwischen 50% der Grundschüler und -schülerinnen das Gymnasium als weiterführende Schule. Dadurch entstehen meist große Klassen von 30 und mehr Schülerinnen und Schülern. Studien belegen, dass die Arbeitszeit bei einer vollen Stelle von 23,5 Stunden pro Woche auf eine Gesamtarbeitszeit von etwa 46 bis 50 Stunden hinausläuft (im Jahresmittel – Ferien sind hier bereits einbezogen). Berechnet werden aber nur 40 Stunden.
Die Politik sei sich der hohen Arbeitsbelastung bewusst, beteuerten beide Abgeordneten. Es würden Überlegungen angestellt, wie man trotz erhöhter Stundenzahl die Belastung senken kann, z.B. durch Reduzierung der Anzahl der Klausuren in der Oberstufe. Wie immer dieser Ausgleich auch aussehen wird, er wird nicht zeitgleich mit der Erhöhung der Stundenzahl erfolgen, so dass wir Lehrkräfte im nächsten Schuljahr auf alle Fälle ohne Entlastung die zusätzliche Unterrichtstunde bewältigen müssen.
Interessant war, dass sowohl Herr Schmidt als auch Herr Scholing uns fragten, ob wir wüssten, wie die Bevölkerung über unseren Beruf denken würde (wobei Herr Schmidt gar die plakative Formulierung „an den Stammtischen“ wählte), als ob wir daran erinnert werden sollten, dass wir keine Lobby haben. Alle Bürgerinnen und Bürger sind im Laufe ihres Lebens Schüler bzw. Schülerinnen und die meisten lernen die Schule auch als Eltern kennen. Es ist sonderbar, dass sich die Überzeugung „Lehrer hätten morgens recht und nachmittags frei“ so fest in den Köpfen der Bevölkerung verankert hat. Wann korrigieren wir denn die vielen Tests, Klassenarbeiten, Klausuren, Praktikumsberichte, Seminarfacharbeiten, ganz zu schweigen von den freiwillig eingesammelten Hausaufgaben? Wann bereiten wir unseren Unterricht vor? Wann führen wir Elterngespräche? Wann stellen wir Lehrpläne und Schulprogramme auf? Wann organisieren wir Klassenfahrten? Wir sind nicht verpflichtet, auf Klassenfahrt zu fahren, wir tun dies aus purem Engagement. Es gibt so viele Aktivitäten, mit denen wir das Schulleben am Hölty gerne bereichern, die aber nicht zum „Pflichtprogramm“ der Lehrkräfte gehören. Müssen wir künftig darauf verzichten? Wo sollen wir sparen? Diese Frage konnte uns keiner der beiden Abgeordneten beantworten.
Der Personalrat