– Vortragende bei Hölty Talks Careers räumen auf –

Egal, ob mit oder ohne Abitur – die ersten Gehversuche in Richtung Berufstätigkeit sind, begleitet von quälenden Zweifeln und sicherlich gut gemeinten Ratschlägen, meistens zaghaft und holprig.

Herausgelöst aus dem bekannten und vielleicht auch lieb gewonnenen System Schule, dem seit langem gleichen Rhythmus, dem Kreis der Freundschaften, den gewohnten Stätten rund um das Schulleben herum geht es nun hinaus ins Unbekannte, das andere Zukunft nennen, wo man plötzlich ein Niemand ist, sich zu bewähren hat, anderen und/oder sich selbst gegenüber. Da beschleicht so manche(n) Schüler(in) der Oberstufe der Grusel vor dem, was da kommen kann.

„Nicht nötig“ war dagegen der Tenor der 21 vortragenden Ehemaligen, die Mitte Februar am Samstagvormittag unter anderem als Theologe, Ingenieur, Sonderpädagogin, Fotografin, Wirtschaftsingenieurin, Programmierer, Personalleiter, Versicherungskauffrau, Juristin, Tierärztin, Wirtschaftsprüferin, Business-Analystin, Arzt bei der BW, Hebamme, Popkantor und  Regierungsmitarbeiter ihre zumeist holprigen Berufsfindungswege schilderten, womit sich Romane füllen ließen, so spannend und kurzweilig verlief dieser Vormittag.

Persönliche Entwicklungen sind ihrer Ansicht nie richtig vorhersehbar. Ein zunächst eingeschlagener Weg kann bald ungeahnte Abzweigungen aufweisen, mit denen man nie gerechnet hätte. Und auch eigene, nie erahnte Interessen können sich auftun, ausgelöst durch eine schlichte Begegnung, einen Beitrag im Fernsehen oder plötzliche Zwänge, die sich im Nachgang als Segen herausstellen.

Im Folgenden finden wir einige Zitate der Ehemaligen, die einen bunten Einblick in die wundersame Welt der Berufsfindung vermitteln:

 „Ich wusste nicht, ob es die richtige Entscheidung war. Ich hab‘ es einfach gemacht, und es war gut.“
„In der Zeit nach dem Abi war ich sehr unglücklich. Ich wusste nicht, wer ich war. Schule ist nicht alles, sondern nur eine Eintrittskarte.“
„Es macht Sinn, vor dem Studium erst mal eine Ausbildung zu machen. So hat man Zeit, sich selbst kennenzulernen.“ 
„Ich kann nicht empfehlen, unangenehme Klausuren nach hinten zu  schieben. Das ist gefährlich.“
„Im Englisch-LK wurde mir gesagt: ‚Du kannst kein Englisch.‘ Jetzt brauche ich jeden Tag Englisch und ich kann es sehr wohl.“
„Ich habe drei verschiedene Berufe gleichzeitig in Selbständigkeit. Das klappt wunderbar und ist nie langweilig.“
„Keine Entscheidung ist endgültig, sondern immer erweiterbar, so wie wir uns auch immer wieder entwickeln.“
„Wenn Dir der Beruf keinen Spaß mehr macht, hör auf.“
„Wenn Ihr ein Studium wollt und auch ein bisschen Freizeit, schaut euch genau um. Ich habe mir eine kleine FH gesucht, in der ich mich wohl fühlen konnte.“
„Für mich war ein verschultes System der FH besser, weil ich den Druck brauchte.“
„Heute bin ich Stratege und nicht mehr Praktiker. Das hat sich an verschiedenen Stellen so entwickelt.“
„Mein neuer Chef war schrecklich. Er hat mich als Person furchtbar eingeengt. Ich war am Boden zerstört. Letztlich war es mein Glück, denn ich hatte dann den Mut, mich nach oben zu bewerben und einen kompletten Neuanfang zu wagen.“
„Als Personalverantwortlicher beschäftige ich mich sehr viel mit der Frage: ‚Wie kann ich den Arbeitsplatz so attraktiv wie möglich machen?‘ Nur so kann man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwerben und halten. Vor allem die vielen Fehltage, die aufgrund von Unzufriedenheit entstehen, kosten einen Betrieb sehr viel Geld.“
„Nehmt Euch nicht zu viel vor, um dem Scheitern vorzubeugen.“
„Das Leben wird besonders spannend, wenn man die Komfortzone verlässt. Bleibt man zu lange darin, wird die Zone immer enger, und man wird immer kleiner.“
„Wüstenzeiten übersteht man besser, wenn man leidenschaftlich ist.“
„Als ich mich frei von Erwartungen gemacht habe, ging es mir besser.“
„Oft habe ich meinem Gefühl erst nicht vertraut, dann hat mir meine Frau einen Schubs gegeben, und das war hilfreich. Sie kennt mich einfach besser.“
„Im Klassenverband des dualen Studiums kannten wir uns gut. Das half.“
„Ich habe eine Menge Fragen für mich geklärt, bevor ich mich für ein Studium entschieden habe. Zum Beispiel, wie ich leben will und welcher Beruf mir das ermöglichen kann. Wenn ich mein Hobby zum Beruf gemacht hätte, wäre ich jetzt Tierpflegerin. Das wäre nichts für mich gewesen.“
„Ich bin ein sehr fauler Mensch und habe mir die Arbeit so gestaltet, dass sie zu mir passt und Spaß macht und ich nicht merke, dass ich arbeite.“
„Es ist in unserer Gesellschaft nicht so einfach, Herzensentscheidungen zu treffen, aber man fährt besser, wenn man seinem Herzen vertraut. Und man braucht Menschen, die einen gut kennen und einem helfen. Das sollten nicht unbedingt die eigenen Eltern sein, weil sie zu viel Angst um einen haben.“
„Bei der Bundeswehr haben ich einen Seelsorger kennengelernt. Er war meine Hoffnungsquelle und ein guter Berater.“
„Ich war immer ein Komischer und passte nirgends richtig rein.“
„Auslandsaufenthalte sind Gold wert.“
„Was du am besten kannst, kannst du am schlechtesten selber sehen. Es ist gut, Freunde zu fragen: ‚Was siehst du in mir?’“
„Verschlungene Wege enden oft in der Führungsebene.“
„Nach Work-and-Travel hatte ich immer noch keine Ahnung, was ich machen wollte, aber ich war voller Erlebnisse und wertvoller Erfahrungen.“
„Jobaussichten als Ingenieur sind super, aber man sollte das nicht aus Geldgründen machen. Glücklich sein ist wichtiger.“
„Lebenswege müssen keiner geraden Linie folgen.“
„In der Praxis habe ich sehr viel mehr gelernt als im Studium.“
„In der Ausbildung konnte ich endlich das machen, was ich immer wollte: arbeiten. Nach einiger Zeit wollte ich dann aber mehr.“
„Ich empfehle euch, erst mal etwas Soziales zu machen. Ihr bekommt dann eine wichtige Idee: Ach so läuft das echte Leben.“
„Aua machen ist gut. Das passiert einem nicht ein zweites Mal.“
„Immer, wenn mein Job auf der Kippe stand, habe ich mir gedacht: ‚Na gut, dann kommt was Neues.’“
„Nehmt euch im Studium so viel Zeit, wie ihr für eure Persönlichkeit braucht. Notfalls zahlt ihr ein paar Semester eine höhere Gebühr. Was soll’s? Ihr seid keine Roboter. Oder wollt ihr mit 22 in einen Vollzeitjob gehen?“
„Es gibt zwei Sorten von Leuten: Die, die durch Türen gehen und die, die nichts wollen, nur chillen. Oft werden die Türen aufgehalten. Und wenn nicht, dann rennt ruhig einmal dagegen. Und dann überlegt ihr uch, dass ihr ja auch aus dem Fenster steigen könnt. Es gibt so viele Wege zu attraktiven Zielen.“

Was also haben die Hebamme, die Fotografin und der Theologe gemeinsam? Jawohl: Es kommt meistens anders als gedacht, oft sogar ganz anders, und es war genau so richtig, wie es sich entwickelte, so wie die Zimmerin zur Hebamme wurde und die Fotografin zur Cafébesitzerin mit 25 Angestellten, der „gescheiterte“ Abiturient zur Führungskraft in einem gesunden Unternehmen und der Bundeswehrsoldat zum Stadtmissionsdirektor, um nur einige kuriose Entwicklungen zu nennen.

Kurios? Vielleicht ist es an der Zeit, unser Denken und unser Vokabular zu verändern. Möglicherweise sind ungerade Lebenswege inzwischen eher die Normalität, gerade in unserer schnelllebigen Zeit, in der sich Mut und Flexibilität oft als Tugend bewähren und zum Erfolgsgarant werden können.

Während noch vor zwei Jahrzehnten Haken im Lebenslauf und durchschnittliche Zeugnisse schief angesehen wurden und den BewerberInnen Wankelmut und Unzuverlässigkeit unterstellt wurden, hat sich der Wind in den Firmen gedreht. Vielfältig erfahrene Menschen, die über den Tellerrand hinaus geschaut haben – mit dem Mut zur Veränderung – genießen inzwischen ein deutlich höheres Ansehen. Viel wichtiger sind inzwischen emotionale Kompetenz,Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft und ehrliches Interesse.

Und das Hölty? … freut sich, unseren jungen Leuten eine Plattform bieten zu können, um Fragen zu klären, einen scheuen Blick in die Zukunft zu wagen, ermutigende Worte von der Welt da draußen zu erhaschen und zu helfen, sich stärker zu fühlen für das, was da kommt, denn es wird gut!

Danke an die Vortragenden für all die positiven Energien aus der Berufswelt und danke an die Fachschaft Politik-Wirtschaft unter der engagierten Leitung unserer Kollegin Annabel Beck für eine fröhliche Veranstaltung, bei der man sich trotz des dienstlichen Wochenendtages belohnt fühlte.                                                                                              

Christin Benedict