Wittener Schauspielgruppe beeindruckte mit Theaterstück über den folgenreichen Absturz in die virtuelle Welt.
Am Ende stand ich staunend da. Die Theaterleute kamen am letzten Schultag vor Weihnachten in unsere Zweigstelle nach Ovelgönne, bauten in das Nichts im Forum eine Bühne mit allem Drum und Dran auf, wobei sie die eigentliche Bühne kurzerhand zum Zuschauerraum umgestalteten, weil vom Platzangebot her passender, spielten ein grandios-eindrückliches wie auch beklemmendes Stück über Online-Spielsucht für alle 7. Klassen, gingen mit ihnen in den Diskurs, bauten die Bühne ratz-fatz wieder ab und es war, als sei nichts gewesen, zumindest räumlich.
In den Köpfen der jungen Leute jedoch werden die Bilder dieser Aufführung noch lange wirken, denn es ging um die Faszination, die von Internet-Spielen ausgeht, und deren Gefahren.
Die Hauptfigur Leon gerät in die Fänge des (fiktiven) zeitaufwendigen Spiels „Philotes“ (griechische Göttin der Freundschaft) und entfremdet sich nach und nach von der Realität – mit allen negativen Folgen. Dauerhaft müde und unkonzentriert verliert er den Anschluss in der Schule, seiner Mutter gegenüber wird er zunehmend aggressiv und für seinen besten Kumpel Nouri ist er nicht da, als dieser ihn dringend braucht. Letztlich dreht sich Leons Leben nur noch um die Freundschaften in der virtuellen Welt, was ihn am Ende von seinem Umfeld entfremdet und in stressige Situationen stürzt. Am Ende drohen Mutter und Freunde, sich von ihm zu trennen, so dass der Protagonist zum Nachdenken gezwungen wird. Die Freundin Lara bringt es schließlich auf den Punkt: „Das Leben ist ein viel besseres Game. Die oder wir!“
Kurz vor der Eskalation in der Handlung durfte das Publikum Handlungsoptionen für die Mutter anbieten, die z.T. ziemlich drastisch ausfielen, wie z.B. „Computer aus dem Fenster werfen“ oder „nur eine halbe Stunde am Tag erlauben“. In einem Nachgespräch gingen die Akteure auf Fragen der Schülerinnen und Schüler ein, die sich z.B. auf deren private Haltung zum „Zocken“ oder die Entstehung des Stückes bezogen.
Einer DAK-Studie zufolge galten 2020 ca. 700.000 Kinder und Jugendliche als spielsüchtig. Dabei ist ein täglicher Konsum von sechs Stunden eher die Regel.
Die große Herausforderung für junge Menschen wird es immer wieder sein, den schmalen Grat zwischen Vergnügen und Sucht auf seine Standfestigkeit hin zu prüfen. Unsere Verpflichtung als Erwachsene und als Institution Schule muss es sein, ihnen den Blick dafür zu öffnen.
Christin Benedict